DER WOLF

   Training für Mensch und Hund

Warum ein eigenes Kapitel zum Thema Wolf?

 

Weltweit wird die Anzahl der Hunderassen auf ca. 800 geschätzt. Auch wenn der Vorfahre unseres liebsten Haustieres optisch fast nicht mehr sichtbar ist: Alle Hunde stammen vom Wolf ab! Die Meinungen darüber wann der der Prozess der „Haustierwerdung“ des Wolfes begonnen hat, gehen von ca. 7.500 bis 30.000 Jahren aus. Bis heute stimmen mehr als 99 % der Gene des Wolfes mit dem Hund überein. Aber wie viel Wolf können wir tagtäglich noch in unserem Vierbeiner entdecken? Und welche Schlüsse lassen sich daraus für unser tagtägliches Miteinander ziehen?

Rund um das Thema Hund und Hundeerziehung werden immer wieder Parallelen zwischen Hund und Wolf gezogen. Da ist die Rede vom Alpha Tier und entsprechenden Hierarchien, von Unterordnung und Dominanz, vom Rudel und Rudelführern, etc. Leider veranlassen solche Analogien, und die damit verbundene Gleichsetzung von Hund und Wolf viele Menschen dazu, Verhaltensweisen und gruppenspezifische Eigenheiten maßstabsgerecht vom Wolf auf den Hund oder vom Wolf auf die Mensch/Hundebeziehung zu übertragen. Dies wird jedoch den Fakten in keinster Weise gerecht! Ganz im Gegenteil. Führt es doch dazu, dass viele Menschen unzutreffende Schlüsse zu ziehen. Allein der falsch gebrauchte und missverständliche Begriff des „Rudels“ spricht Bände. Daher werden Sie den Begriff des „Rudels“ auf unserer Seite nicht finden. An dieser Stelle verwenden wir ein Zitat eines der renommiertesten Kynologen der sich durch seine Beobachtungen an wild lebenden Wölfen, u.a. in kanadischen Nationalparks, als Wolfsforscher etabliert hat, und durch ein viel beachtetes Studienprojekt an frei lebenden Straßenhunden in der Toskana in der Lage ist, Unterschiede und Parallelen exakt zu benennen. Günther Bloch.

Auf die Frage, wie er den Begriff des Rudels definiere, gibt er folgende Antwort:

„Ich mag den Begriff Rudel nicht besonders und verwende ihn schon seit etlichen Jahren nicht mehr. In den Köpfen vor allem von Hundehaltern ist dieser Begriff als streng hierarchisch strukturierte soziale Gruppe mit nach Unterwerfung strebenden „Alphatieren“ etc. verhaftet. Das hat in der Realität zwar weder etwas mit frei lebenden Wölfen oder Wildhunden zu tun (und erst recht nicht mit unseren Haushunden, Anm. des Autors), passt aber geradezu optimal in das verallgemeinernde Schubladendenken vieler Menschen. In der Wildbiologie sprechen wir in Bezug auf Kanidenverbände lieber von Familien. Das sind sie im wahrsten Sinne des Wortes: soziale Familienverbände mit echten verwandtschaftlichen Beziehungen. Bemerkenswert kooperative und sozial strukturierte Gruppen mit formal dominanten Elterntieren und deren Nachwuchs aus 2-3 Jahren. Von Ausnahmen abgesehen, entspricht diese Kurzbeschreibung der Regel.“ (Rudelstellungen-klargestellt, Interview mit Günther Bloch)

Nicht zuletzt der Umstand, dass eine wesentliche Voraussetzung für die Verwendung des Begriffs „Rudel“ die Freiwilligkeit! der einzelnen Individuen ist, verbietet den Gebrauch des Begriffs für alle „gemeinsam gefangen gehaltenen Hunde“.

Begonnen hatten wir mit der Frage nach dem Warum, „Warum ein eigenes Kapitel zum Thema Wolf?“ Die Antwort darauf lautet, dass die Hunde den Preis für die pseudo-wissenschaftlichen „Irrlehren“ zahlen die im Umlauf sind.
Beobachtungen an frei lebenden Hundeverbänden haben ergeben, dass „im Vergleich zum Wolf vieles total rudeluntypisch war, Inzucht beispielsweise an der Tagesordnung. Keiner einzigen Hundemutter kam bei der Aufzucht junger Welpen seitens des ranghöchsten Rüden irgendwelche Unterstützung zu. Helfershelfer gab es auch keine. Kein Nahrungstransport Richtung Erdbau, keine dauerhafte Absicherung des Höhlenstandorts. Nichts dergleichen. Andere Verhaltensaspekte erinnerten wiederum an wolfstypische Gepflogenheiten. Regelmäßiges Chorheulen zum Beispiel oder die Verteidigung von Jungtieren gegenüber Wildschweinen. Ganz a la Wolf verhielten sich die Hunde auch sehr reviertreu, bewachten ein Territorium mit fest etabliertem Wegenetz. Sobald von dem „Rudelverhalten“ die Rede ist, handelt es sich um eine unseriöse Gleichmacherei. Das Verhaltensrepertoire von Wildhunden ist wie ein „Kessel Buntes“. Bei aller Begeisterung für unzählige Gemeinsamkeiten sind 1:1 Gleichsetzungen von Wolf und Hund in Bezug auf das Thema Rudel und Rudelstellungen ein grober fachlicher Fehler. (Rudelstellungen-klargestellt, Interview mit Günther Bloch)

Abschließend unsere Bitte und unser Appell an alle Hundehalter: Auch wenn manche pseudo-wissenschaftlichen Ansätze einfache Erklärungen zu bieten scheinen – seien Sie skeptisch und auf der Hut. Die Beziehung zur Ihrem Hund oder Ihren Hunden ist ein kompliziertes Beziehungsgefecht das ständig in Bewegung ist. Die Welt ist nicht einfach, Ihr Hund ist nicht einfach, Sie sind nicht einfach. Warum sollte es einfache Antworten geben?! Die Welt, und die in ihr existierenden Beziehungen, sind kompliziert und komplex.